Von den Freiheiten in der bildenden Kunst

Referat in Philosophischem Gesprächskreis, 2012

Zur Einführung

Freiheiten – eine Freiheit? Üblicherweise verwenden wir den Begriff Freiheit in der Einzahl. Trotzdem ist er vielgesichtig – anthropologisch, juristisch, politisch usw. Da Freiheit und Determiniertheit im Selbstverständnis der Kunst in unterschiedlichen Bezügen enthalten ist, entstehen ihr eine Vielzahl von Aspekten.
Diese verschiedenen Verständnisweisen von Freiheit oder Unfreiheit in der Kunst werde ich im Folgenden darzustellen versuchen, und zwar beschränkt auf die bildende Kunst im Zeitraum der Antike bis heute und ausschließlich auf europäische Entwicklungen bezogen. (Selbst mit den genannten Eingrenzungen wäre aus dem Thema mühelos ein mehrteiliges Seminar zu entwickeln. Ich bitte also um Verständnis, dass ein Referat in diesem kleinen Rahmen radikale Kürzungen und Auslassungen enthält.)

Kunst ist zunächst begründet in der außerordentlichen menschlichen Fähigkeit, mit den Augen Wahrgenommenes zu abstrahieren als Abbildung auf einem Bildträger – sei es die Höhlenwand oder die Leinwand, das Filmmaterial oder der digitale Datenträger. Vom Ursprung her war Bildmachen zunächst Nachahmung, Nachbilden und es ist zu fragen, wie bei dieser Abhängigkeit von real gesehenen Objekten überhaupt der Begriff von Freiheit in die Kunst geriet. Sie war doch immer an der Kette von etwas Dinghaften, das seine Formen und Farben dem Abbild vorgab. Und doch sagt Artikel 5 des Grundgesetzes (von 1955): Die Kunst ist frei. Was ist damit gemeint?

Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage, nach den Aspekten der Freiheit, des Freiheitlichen, des Freimachenden, der Autonomie in der bildenden Kunst setze ich meine Nachforschungen in vier Bereichen an
– im Bildwerk selbst, in der Differenz von Schein und Sein
– im künstlerischen Prozess, dem Bild-Hervorbringen durch den Künstler
– in der Rezeption des Bildproduktes durch den Betrachter
– in der Stellung des Kunstwerks im gesellschaftlichen Umfeld

Vor der Recherche werfen wir noch einem kurzen Blick auf die aktuelle Kunstmarktszene, wie sie unter vielen anderen die ART Basel bietet:

300 Galerien stellten dieses Jahr 2000 Künstler aus. Das gesamte Spektrum der Moderne, Postmoderne und der letzten Moderne war zu sehen. Anfang Dezember dieses Jahres geht die Schwesternveranstaltung der Art Basel in Miami Beach los, mit „nur“ 200 führenden Galerien aus allen Ländern der Erde und „nur“ 1500 Künstlern, aber als ein kulturelles Mega-Event mit parties, crossover events, music, film, beach and hotels.
Die Käufer stehen Schlange, wer in der ersten Viertelstunde nach Eröffnung nicht das Objekt seiner Begierde gekauft hat, hat schlecht kalkuliert. Glückliche Käufer teilen dem Interviewer strahlend mit, wie anregend der Kitzel der Spekulation sei, ob der Marktwert des erstandenen Werks zukünftig steigen oder fallen wird.
Hit des vergangenes Jahres war ein badetuchgroßes Schwarzweiß-Foto, Porträt einer jungen Frau, handgeknüpft als Teppich. Fünf Minuten nach Messeeröffnung ist es für 90 000 € verkauft, die anderen der Serie gehen ebenfalls schnell weg. Die Künstlerin Shirana Shabazi ist jung und in kürzester Zeit erfolgreich, wie viele der Künstlerinnen und Künstler, die sich für vier, fünf Jahre in der Gipfellage der Kunstmärkte halten können.

Nun zu unserer Frage, die nicht heißt, ob das Kunst ist oder nur nach Kunst aussieht, sondern: Ist diese Kunst der Kunstmessen frei zu nennen?
Wer dies spontan verneint, kann sich überlegen, in welcher Weise die Frage nach Freiheit in der Geschichte des Kunstschaffens eine Rolle spielte oder spielt.

Zur Unterstützung bei der Suche nach Antwort stellen wir uns doch einmal vor, einen Weisen aus dem Altertum einzuladen und mit Platon über die Kunstmesse von Miami Beach zu gehen.
Wäre er entsetzt, würde ihn das Getriebe abstoßen? – Ich vermute: keines von beiden. Für Platons idealistisches Denken wäre der Markt wie die Kunst-Ware recht bedeutungslos und keiner Gefühlsausbrüche wert.

1. Die schöne Kunst der Antike unter den scharfen Augen der Philosophen

Platons Bedenken

Platon sagt, die Dinge, die um uns sind, seien nur ein Abglanz von Ideen. Da die bildende Kunst diesen Abglanz nachahme, dringe sie nicht zur göttlichen Idee, zur Wahrheit vor, die hinter den Phänomenen liege. Diese IDEE sei nur durch das Denken zu erreichen. Die höchsten Ideen wie Freiheit, Wahrheit, Gegenwärtigkeit seien nicht sichtbar zu machen. Selbst die Schönheit trage einen über-sinnlichen, nicht-sinnenhaften Charakter, dessen Idee nur in reflektierender Annäherung zu erkennen sei. Er warnt vor dem sinnenhaften Genuss von leerbleibenden, von Menschen geschaffenen Formen und Farben. Erstrebenswert sei es, sich von der Bindung an das physisch Sinnenhafte zu befreien und der Weg dazu gehe nur über das Denken.
Die Befreiung von den DINGEN und auch von dem Bildwerk, das sie darstellt, wäre somit die Befreiung des Menschen zur Welt der reinen Ideen, eine davon wäre die Idee der Freiheit.
Platons Aussage lässt annehmen, dass eine Art Basel ihn nicht wachsende Sinnentleerung von Kunst bedauern ließe, da er den Bildwerken ohnehin wenig Sinn zutraute und eher bilderfeindlich eingestellt war.
Aber Platon formulieren eine tiefgründige Erwartung, die traditionell an Kunst gestellt wurde und bis heute nicht vollständig aufgegeben ist. Sie erwächst aus der Erkenntnis des Unterschieds zwischen sichtbarer, realen Welt und der Welt der Ideen, des Geistes. Ein Kunstwerk erschöpft sich im besten Fall nicht in dem, was der Betrachter sieht, sondern verweist auf eine weitere Dimension, die die eigentlich wesentliche ist. Diese verbindet sich oder entsteht aus der Erlebniswelt des Betrachters und dem, was das Sehens des Werkes ihn assoziieren läßt.
Für den Künstler ist es die Erfüllung, wenn sein Werk in einem Rezipienten in diesem Zusammenhang zur Resonanz kommt.

Als Platon die abwesende Idee registrierte, kam er nahe dem, was die Kunstgeschichte als das Substanzielle eines Kunstwerk umschreibt.
Im Raum zwischen der sichtbaren Oberfläche des Bildes und dem dahinter liegenden ideellen Gehalt herrscht eine spezielle Art von Freiheit, die im Künstler und Betrachter denken, vorstellen, fühlen lässt, was nicht unmittelbar sichtbar zu machen ist, doch unsichtbar existiert.

Im Grunde ist also ein Kunstwerk auf unendlich viele Weisen kommunizierbar.
Genau hier liegt aber auch die Gefahr, dass das Unausschöpfliche, das Kunstwerke haben können – und nun beziehe ich die Gegenwartskunst nachdrücklich mit ein – dass das Vage, unter Umständen Vieldeutige einen Kult zulässt, hinter dem sich alles und nichts verbirgt und alles Erdenkliche hinein interpretierbar ist.
Zurück zu Platon: Seine Worte beziehen sich mit Selbstverständlichkeit auf die Aufgabe der bildenden Kunst – die Natur abzubilden. Nachahmung, griechisch Mimesis entspricht dem Bildverständnis jener Zeit – und nicht nur jener.

Auch wenn Platon in diesen Nachahmungen nur fragwürdige „Scheinbildern“ sieht, war die allgemeine Auffassung eine andere: Je genauer die gemalte Traube auf der Wand oder auf der Bildtafel der Natur entsprach, um so perfekter war dem Künstler die Arbeit gelungen. Man erzählte sich mit Bewunderung die Anekdote, wie der Maler Apelles (zeitweise Hofmaler Alexander des Großen) die Beeren einer Traube so saftig und prall auf eine Wand malte, dass Vögel sich auf sie stürzten um an ihnen zu picken. Somit scheint die Qualität der Natur-Abbildung, die Naturtreue, über den Wert eines Kunstwerks zu entscheiden.
Die Frage der neuzeitlichen Kunst nach Innovation und Originalität im Umgang mit bildnerischen Produkten ist nicht gestellt und damit kein Freiraum für Freiheit in der Darstellung gesucht. Erst Jahrhunderte später wird darüber diskutiert werden.

Doch schon Platons Zeitgenossen begannen nicht unbedingt den platonischen Gedanken über Kunst zu folgen, sondern spürten über die Naturtreue hinausgehende Qualitäten an Bildwerken. Sie genossen bei der meisterhaft gemalten Traube an der Wand nicht nur die Dekoration des Raumes, sondern verbanden sie auch mit ihren Vorstellungen von der verehrungswürdigen Fruchtbarkeit der Natur und der Schönheit und dem Genuss der natürlichen Traube draußen.
Das Aufleuchten einer zusätzlichen Dimension hinter dem momentanen Augen-Eindruck vermitteln die Skulpturen und Reliefs aus dem Altertum bis heute. Sie sind oft nicht nur meisterhafte Abbilder schöner Körper, sondern auch Ausdruck einer vollendeten Harmonie von Körper und Geist, die sich in Körperlichkeit ausdrückt. Schönheit und Vollkommenheit wirken mit einer geistigen Komponente, die dem Göttlichen nahestehend erlebt werden kann.

 

Aristoteles’ mimetisch neue Welt

Was Platon in den Bildwerken vermisste, sah Aristoteles zweifelsfrei als in ihnen vorhanden. Die Verdoppelung des Naturgegebenen im Abbild wertete er folgendermaßen: In den Bildern, die durch Mimesis hervorgebracht werden, entstehe etwas Neues, werde eine weitere Welt erzeugt, die unter eigenen Gesichtspunkten zu betrachten sei und auch eine eigene Form von Wirksamkeit habe. Eine weitere Welt – zur realen hinzu – in der die Berührung mit Ideen wie sie Platon definiert, durch die ästhetische Wahrnehmung entsteht.
Dementsprechend forderte Aristoteles die Maler und Skulpteure auf, beim Nachbilden eines Objekts oder eines Menschen dessen vorgegebene Formtendenzen zu verstärken, zu idealisieren, um sein inneres Wesen, seine innere Gesetzmäßigkeit zum Ausdruck zu bringen.

Nachahmung schließt demzufolge das schöpferische Hervorbringen ein (poesis). Wer Bilder malte, Skulpturen und Reliefs aus Stein schlug oder Metall zu gießen verstand, war zwar Handwerker, aber von der reinen Nachahmung befreit zu einem idealisierenden, imaginierenden Handeln. Nicht sklavisches Abbilden der Natur, sondern auch freie Vorstellungskraft waren gefordert und als meisterhaft betrachtet.

Auf diese Weise war nicht nur ästhetische Freude für Künstler und Betrachter zu gewinnen, meinte Aristoteles, sondern auch eine erzieherische Wirkung der Kunstwerke. Ein Gedanke, den er vor allem für die Kunst der Dramen verfolgte und den einige hundert Jahre später Friedrich Schiller ebenfalls vertreten wird, wenn auch unter modifizierten Gesichtspunkten. Beide Denker schätzen an der Kunst einerseits das freies Spiel künstlerischer Fähigkeiten, anderseits wollen sie Kunst pädagogisch nutzen.
Allerdings nicht in der Weise und nicht in der Absicht, wie Mächtige Bilder zur Manipulation einer Gesellschaft einsetzen. Wenn Bildwirkungen (Pakate, Propaganda) und Bildauswahl (durch Zensur) instrumentalisiert werden, ist die Unfreiheit von Kunst das Ergebnis. Dem beugt der genannte Paragraph unseres Grundgesetzes vor.

2. Abkehr und Rückkehr von der Natur

Im Mittelalter

Die griechischen Auffassungen gingen in der römischen Kunst auf, manche wurden von der frühen christlichen Kunst noch aufgegriffen, aber dann fallen gelassen zu Gunsten einer neuen Entwicklung der Kunst, die eine Abwendung von der Nachahmung der Natur bedeutete. Dies legten auch die Schriften des Neuplatonismus nahe. Eine andere Beziehung zu den sichtbaren Dingen entwickelte sich:
Nun war ein Baum nicht wichtig als Baum (musste also nicht genau dargestellt werden), eine menschliche Figur stand nicht für sich selbst. Natur- und Menschendarstellungen wurden sozusagen befreit von ihrer irdischen Realität und wurden stattdessen Symbol für eine analoge, jenseitige, religiöse Welt Verfügte der griechisch-römische Gott Apollo, Sohn des Göttervaters Zeus, noch über verführerische Schönheit, erstarrte der Gottesohn Christus in ausdrucksloser, zeichenhafter Hoheit. Figurative Darstellungen fungierten als Symbol einer jenseitigen Welt des Heiligen, umgeben von komplizierter Ornamentik.

Kunst war Technik, die Fähigkeit, Material zu bearbeiten, damit es seinen Zweck erfüllte: nämlich die Verkündigung der christlichen Lehre und Gottes Lob. Dass diese in der Form geschah, die der christlichen Lehre entsprach, dafür sorgten die Vertreter kirchlicher Institutionen. Trotz des auf diese Weise eingeengten künstlerischen Entscheidungsraums schufen die mittelalterlichen Künstler eine beeindruckende Bilderwelt, die bis heute religiöse Vorstellungen determiniert.

Für die religiösen Menschen des Mittelalters waren Kunstwerke selbstverständlich ein Scheinen des jenseitigen, wahren Seins. Doch dank der Tatsache, dass Bilder diesem Jenseits so nahe stehen konnten, waren sie im Volksglauben oft auch verehrungswürdig und trotz ihrer materiellen Objekthaftigkeit etwas Heiliges. Sie waren Transzendenz, die sich sichtbar und greifbar gemacht hatte. Demzufolge konnten Bilderverehrung und Bildersturm sich gefährlich nahe kommen. Die Macht der Bilder und der mit ihnen verbundene religiösen und politischen Ideologien überwältigte und brachte Menschen zu ungewöhnlichen Handlungsweisen, in denen sie sich die Freiheiten nahmen, die sie bei anderen ignorierten.
Es ist in mehrfacher Hinsicht nicht zu übersehen, dass Künstler und Gesellschaft nicht nur Bilder bestimmen, sondern, dass Bilder ebenso zurückwirken auf die Gesellschaft. Wer determiniert eigentlich wen, läßt sich berechtigterweise fragen, wobei die Antwort sich schwer tun würde, die gegenseitige Verflechtung zu analysieren.

Zu Beginn der Neuzeit

Schon seit dem 13. Jahrhundert wurde wieder Aristoteles gelesen. Diese Tatsache ist eine der vielen Quellen, aus denen in der beginnenden Neuzeit die Antike mit ihren gestalterischen Kriterien zurückkam. Die Mimesis – als das Schaffen einer noch schöneren, ausdrucksvolleren Welt als der sichtbaren verstanden – war wieder angesehen und beinhaltete nicht nur die Nachahmung des Realen, sondern befreite auch zur Imagination. Nun wurde der himmlische Hofstaat zu einem irdischen, der individuelle Mensch wichtig und die Wissenschaftler begannen, Natur mit anderen Augen, als gläubigen, zu sehen.
Die Schönheit dieser Welt wurde nicht nur erlebt, sondern man wollte auch ihre Gesetzmäßigkeiten verstehen, die man in Proportionen, in Maß und Zahl zu fassen suchte. Die Mathematiker der Antike wie Euklid und Pythagoras schauten wohlwollend zu, als die Perspektive erfunden wurde, die eine täuschend dreidimensionale Sicht von allem Körperlichen auf der zweidimensionalen Malfläche herzustellen vermochte. Nun standen die gemalten Figuren frei und aufrecht im gemalten, konstruierten Räumen, nicht vor Gott gebeugt, sondern in einem neuen Selbstverständnis. Der Horizont wurde bestimmt durch den Sehwinkel des menschlichen Auges, sein Blick drang sowohl in die Tiefe wie in die Weite des mit Zirkelschlag erfassten Raumes.

Leonardo da Vinci vertrat wie andere auch die Meinung, dass nur aus tiefem Verstehen des Naturgegebenen eine der Natur ebenbürtige Gestaltung erwachsen konnte. Verstehen, nicht allein nachahmen!
Das Beobachten der Natur, womit auch die menschliche gemeint war, bildete ein Zentrum künstlerischen Bemühens. Der diesseitige Mensch wurde aus seiner absoluten religiösen Abhängigkeit in eine noch nicht absolute persönliche Freiheit entlassen.

Die Kultivierung des Schönen, das Herausarbeiten des individuell Charakteristischen lieferte aber auch das Instrumentarium der Werbemaschinerie von Fürsten und Heerführer. Bilder, Denkmäler und Kirchenausstattungen waren Mittel, den Namen des jeweils Abgebildeten oder des Finanziers nachdrücklich im Gedächtnis der Bevölkerung zu verankern. Die Kirche bediente sich für ihre Interessen der gleichen Mittel.

Die zu Anfang von mir erwähnten vier Bereiche, in denen man in der bildenden Kunst nach den Freiheiten und entsprechenden Unfreiheiten suchen kann, verknüpften sich in der Renaissance aufs engste. Jetzt mutierte der „nur“ Handwerker zum Künstler, so wie wir den Begriff heute verstehen. Er durchlief langjährige Ausbildungen in den Werkstätten der Meister nach Regeln von Gilden geordnet. Die Fähigkeit, die Schönheit des von Gott oder den Menschen Geschaffenen in Materialien, sowohl abzubilden als auch in der Wirkung zu überhöhen, ließ ihn Ansehen gewinnen und damit Freiheiten.
Durch die italienischen und flandrischen Höfen und die Kirche wurden die Künste intensiv gefördert, später kam die reich gewordene Bürgerschaft als Auftraggeber hinzu. Mit dem lebhaften Kursieren von Aufträgen verbanden sich durchaus detaillierte Auflagen z.B. die Haltung die Madonna, die Farbe ihres Gewandes und dessen Borte, die Anzahl der Edelsteine auf darauf. Der Künstler hatte zu entscheiden, ob er derartiges als Bevormundungen auffasste oder „nach dem Gelde ging“, was er vorwiegend tat. Das gewachsene Ansehen schützte ihn nicht vor der finanziellen Abhängigkeit von Auftraggebern eines frühkapitalistischen Systems, die nicht nur als Liebhaber der Künste, sondern auch als gegenseitige Konkurrenten auftraten. Einen freien Markt für Kunstwerke gab es nicht. Wer in Holland oder Deutschland ein italienisches Kunstwerk erwarb, war derselbe, der auch Gemälde in Auftrag gab. Der Markt fand in geschützten Räumen repräsentativer Häuser statt. Aus Auftraggebern und Käufern entstand der Typus des Kunstsammlers und Kurators von Sammlungen, der heute einflussreich und marktbestimmend ist.

Mein Gang durch die Geschichte steht nun vor der Aufklärung. Zusammenfassend lassen sich bisher folgende Aspekte der Freiheiten und Determiniertheiten in der Kunst benennen:
a. Die innenliegende Freiheit der Bildkunst, die in der Differenz zwischen dem Sichtbaren und dem Dahinterliegenden liegt, war erkannt. Das Verweisen auf begrifflich oder nicht-begrifflich zu fassende Inhalte war in verschiedener Weise in unterschiedlichen Theorien thematisiert. Diese Differenz zwischen Sichtbarem und Verweisenden war des “Bildmachers“ persönlicher Freiraum zwischen seiner Bindung an das Sichtbare der Natur und seiner mentalen Imaginationsfähigkeit.
b. Die Rolle des Rezipienten: Der Künstler und sein Werk bedürfen des Betrachters, in dessen Kopf die unsichtbare Welt entsteht, die hinter dem liegt, das im Bild zu sehen ist.
Doch war die Bedeutung der Rezeption wenig ausformuliert. Sie sollte in der kommenden Entwicklung so wichtig werden, das gesagt wurde, ein künstlerisches Werk vollende sich erst in den Vorstellungen des Betrachters.
c. Der Künstler erlebt den kreativen Prozess, in dem er seine inneren Bildern äußern kann, als Befreiung – und die Begabung dazu als Gewinn von sozialer Bedeutung (der Künstler als Schöpfer(gott)).
d. Der Künstler ist abhängig von seiner Begabungsstärke und -eigenart, von den Weltvorstellungen, der sozialen Struktur, den Stilbildungen und Schulen der Zeit, in der er lebt – und von seinen Auftraggebern.

Zu bedenken ist bei der heutigen Überfülle von verschiedenartiger Kunstproduktion, dass geschlossene Gesellschaften wie Stadtstaaten, Königreiche und Fürstentümer weniger Modelle und Arbeitsimpulse liefern als der heutige pluralistisch kommunizierende Globus.

3. „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ Schiller

Kants Vorstellungen von Genie und Geschmack

Dias Zitat Schillers „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ soll den Beginn der letzten zweihundert Jahre der Kunstentwicklung markieren, die entscheidend für die heutige Kunstszene sein werden. Die Philosophie und Literatur der Aufklärung versuchte, die Freiheit des Menschen durch den Einsatz der Vernunft zu erreichen. Diese rationale Haltung zur Erlangung von Freiheit erzeugte natürlich Gegenbewegungen hin zur Entfesselung von Gefühls- und Gemütskräften. So kommt es, dass in diesem Zeitraum der Begriff des Freiheitlichen in der bildenden Kunst sehr variabel ist, je nach dem, welche der Richtungen verfolgt wurden.
Heute ist dieser Diskurs erschöpft auf der Strecke geblieben, ist kein Gesprächs­thema mehr, Freiheit ist kunstpraktisch und kunsttheoretisch in der westlichen Welt als absolut vorausgesetzt, andere Kulturen kennen das Thema gar nicht. Doch scheint man bei uns auf die Reflexion von Freiheit in der Kunst nicht einfach verzichten zu können. Denn damit verzichtet man auch auf die Reflexion von Maßstäben, wovon Freiheit einer ist. Mit einer Freiheit, die nicht hinterfragt wird, beginnt eines der Übel, die zeitgenössische Kunst von ihren Kritikern zu hören bekommt: sie sei beliebig und inhaltslos.

Schillers Bezeichnung der Kunst als Tochter der Freiheit, steht im Zusammenhang mit der Kunstphilosophie Imanuel Kants, die Friedrich Schiller vor allem in der „Kritik der Urteilskraft“ intensiv studiert hatte. In diesem Text stößt man auf zwei Eigenschaften, mit denen Kant Kunst charakterisiert: Der Geniebegriff und der des „Geschmacks“, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Warum?
„Das Genie ist für Kant Medium der Natur, die sich in ihm Bahn bricht, es ist eine ursprüngliche, eruptive Kraft. Das heißt, das Genie wirkt nicht in bewusster Absicht, es beherrscht nicht, was es tut. Es kann nicht einmal beschreiben, wie es sein Tun vollbringt.“ Die Qualitäten eines Genies sind also nicht begrifflich zu fassen, sein Produkt, das künstlerische Werk, ist im Kern seines Wesens unaussprechlich. Es ist ein Mysterium, dessen Unergründlichkeit den Rezipienten für sich einnimmt“ (Wolfgang Ullrich)
Kants Geniebegriff scheint die begabten Künstler von allen Konventionen zu befreien. Die üblichen Regeln sozialen Verhaltens sind für ihn nicht bindend. Es ist die Natur, die ihn freisetzt, geradezu berechtigt, zu außerordentlichem Handeln.

Wir ahnen das Potenzial von künstlerischen Verhaltensformen und Selbst­repräsentationen, die bis heute zu beobachten sind (!) und die bereitwillig bewundert werden. Auch in der „Egalité“ einer Demokratie und ohne die Bezeichnung „Genie“ zu benutzen, ist ein bestimmter Stil öffentlicher Inszenierung von Künstlern
(z.Bsp. Jörg Immendorf oder Georg Baselitz) nicht anders zu erklären.

Da Kant voraussetzte, dass das geniale Kunstwerk im Letzten unergründlich war, konnte es auch auf vielfältigste Weise interpretiert werden. Dieser Anarchie der Auslegungen durch die einzelnen Betrachter, beugte Kant vor, wie auch dem Missbrauch des Geniebegriffs. Sicher reagierte er damit auch auf manche Phänomene der „Jungen Wilden“ jener Zeit, deren Strömung wir nachträglich „Sturm und Drang“ nennen. Kant verwahrte sich gegen Missbrauch, indem er mit seinem Begriff der Genialität die Forderung des Geschmacks verband
Die Bezeichnung hat heute eine gewisse Bedeutungsänderung erfahren und bedarf einer Umschreibung.
Geschmack in Kantschem Sinne wäre dann ein Gespür für die gemäße Form, die eine Idee fixiert und gleichzeitig verstehbar macht. Geschmack berücksichtigt zwar manche Standards der sozialen Kommunikation, aber bietet der Gesellschaft auch Anlass, Anderes, Ungewohntes zu entdecken und darüber ins Gespräch zu kommen. Wenn das Kunstwerk den Betrachtern einen Zugang bietet, fördert es den Gemeinsinn. Wolfgang Ullrich nennt Geschmack eine Form der „sozialen Intelligenz“ und beschreibt Kants Position zur Kunst folgendermaßen: „Einerseits geht es um ihre Kraft, als Leistung eines Genies zu überwältigen und sprachlos zu machen, anderseits um ihre Fähigkeit, als Zentrum für eine Gesellschaft zu fungieren, den Menschen ihre Verbundenheit zu vergegenwärtigen und damit eine gemeinsame Sprache zu geben.“ (W.Ullrich: „Gesucht : Kunst“, 2007)

Der Geschmack gibt also dem Genialen einen Rahmen. So betrachtet stehen Genialität und Geschmack in einem ähnlichen Spannungsverhältnis wie Freitheit und Determiniertheit.

Schillers Vorstellung von Erziehung

Mit dem sozialen Aspekt der Kunst, den Kant vertritt, ist wieder die pädagogische Absicht berührt, auf die Friedrich Schiller in seinen Briefen ausführlich eingeht. Sie sind unter dem Titel „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ zusammengefasst.
Nach Schiller bildet das ästhetische Erleben die Fähigkeiten und Haltungen des Menschen aus, die ihm ermöglichen, eine menschenwürdige Staatsverfassung zu entwerfen und zu leben. Das Eintauchen in den Schein des Kunstwerks, ermöglicht die Berührung mit der Wahrheit des Seins. Ein Mensch, der sich im freien Spiel seiner gestalterischen Kräfte erlebt hat oder an diesen rezipierend teilnimmt, gewinnt Balance von Geist und Körper, bildet Harmonie seiner rationalen und emotionalen Kräfte aus. Das freie Spiel ist aber nur jenseits von Bürokratie, Arbeitsteilung und rationaler Produktivität möglich. Dieser autonome Erfahrungsbereich, der „rein und lauter“ sein soll, kann für Schiller nur die Kunst sein.
Autonomie ist für Schiller die Basis für den Entwurf einer „Ästhetischen Erziehung“. Darin folgt er Kant, der die „soziale Intelligenz“, den „Geschmack“, sich ausschließlich üben und betätigen sah im zweckfreien Raum. Die Erfahrung von gestalterischem Handeln ohne Zweckgebundenheit schaffe die Voraussetzungen für eine gelingende, freiheitliche Staatsverfassung.
Die Utopie einer autonomen Kunst, erfüllt eine praktische Funktion im gesellschaftskritischen Kräftespiel. Sie ist eine Herausforderung, Freiheit und ihre Verwirklichung in einem Staatswesen zu überdenken.

Kunst wird hier also NICHT instrumentalisiert zur Erreichung eines bestimmten politischen Zwecks, wie wir es im Nationalsozialismus erfuhren, sondern sie dient einer Bildung des Menschen zur Totalität seiner Fähigkeiten, aus der von allein, so Schillers Hoffnung, sich ein verbessertes Staatswesen manifestieren würde. Im Wechselspiel zwischen politischer und künstlerischen Freiheit ist die Freiheit sowohl Mutter wie Tochter der Kunst, möchte man Schiller ergänzend sagen. Oder kurz gefasst: Die Erfahrung von Freiheit – gesellschaftlich gewährt und im ästhetischen Spiel handelnd erfahren – schafft politische Freiheit.

4. „Umwertung aller Werte“ Nietzsche

Die Moderne der Kunst

Die Autonomie der Kunst bezeichnet eine Befreiung von Fremdbestimmung politischer, rechtlicher, sozialer Art. Sie ist die Voraussetzung für eine wahre Selbstbestimmung der Kunst. Erst, wenn die konkreten künstlerischen Entscheidungen sich auch tatsächlich selbstbestimmt treffen lassen, ist ästhetische Autonomie vollzogen. Freiheit von Bestimmungen sollte also einmünden in die selbstbestimmte Setzung durch den Künstler.
Hier wird deutlich, eine neue, anders geartete Gewichtung von Freiheit in und durch die Kunst. Die soziale Bindung, die der kantsche Begriff des Geschmacks vertrat, lockert sich.
Nun heißt es, die Kunst muss sich befreien von den Ansprüchen, die die Gesellschaft an sie heranträgt. Bildwerke bestehen nicht in der Darstellung und Anwendung ewiger Gesetze oder Harmonien, sondern gerade diese werden zum Anlass künstlerischen Unabhängigkeitsstrebens. Dieses Ablösung von leer und wirkungslos gewordenen traditionellen Werten, ist in Nietzsches Augen „höchste Selbstbesinnung des Menschen.“

Die dazu notwendige „Umwertung aller Werte“ erhielt im letzten Jahrhundert zahlreiche Impulse und Unterstützungen durch Naturwissenschaft und Technik.
Die Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten bildlich gesprochen durch Mikroskope die Materialstrukturen der Objekte gesehen, deren Oberflächen und Körperlichkeit sie bisher von außen erfasst hatten, sie lernten von der Physikern unsichtbare Strahlungen, sowie den wirbelnden Tanz der Atome kennen und an den Fortschritt von allem glauben. Sie irrten durch die Unbestimmbarkeit von Quantenräumen und wurden von Sigmund Freud unterrichtet über eine bisher unbenannt gebliebenen Dimension des Menschen: sein Unterbewusstsein. Die Menschen insgesamt waren auf einer Fahrt ins Innere der Welt, deren neuartiger Reiz die bisher dargestellte Außenseite der Dinge uninteressant erscheinen ließ.
Der zerlegende Impetus der großgewordenen Naturwissenschaft sprang gewissermaßen ins Auge der Künstler, zerlegte die gesehenen Formen, faltete die Oberflächen in kubistische, kristallin wirkende Gebilde auf oder ließ die Außenhaut des Gegenständlichen unbeachtet Die inneren Strukturen der gegenständlichen Welt bildete sich ab in den Gesetzmäßigkeiten der Kompositionen von gegenstandslosen Farb- und Formflächen und im kreativen Spiel gestalterischer Eingebungen.

Die Stunde der Befreiung vom Gegenstand hatte geschlagen, die mimetische Verbindung war gekappt worden, die abstrakte Malerei wurde geboren. Nur dort konnte Neues entwickelt werden, die bisherigen Motive und Techniken der Kunst waren längst von den Alten in höchster Meisterschaft ausgeführt worden oder erstarrt in akademischen Historizismus. (neubyzantinisch, neugotisch, neubarock) Das Abbilden übernahm die Fotografie.

Die Unabhängigkeit von den früheren Auftraggebern Kirche und Fürstenhof brachte der Kunst eine institutionelle Bindungs­losigkeit und damit Bestimmungs- und Zwecklosigkeit. Sie führte zwangsläufig in die Aufgabe, ihre ureigenen, spezifischen Werte herauszufinden. Darin lag einer der Impulse zur ästhetischen Autonomisierung.

Wirtschaftliche Aufstiege und Inflation, Kriege, Ende des Kaiserreiches, Demokratieversuche und deren Scheitern, Technisierung, Industrialisierun und Liberalisierung förderten Hoffnungen und Ängste, machten instabil und bereit, vieles auszuprobieren, in dem man wieder eigene Regeln aufstellen konnte
Es beginnt die Zeit der -ismen, der vielfältigen Kunstrichtungen und damit das Ende der künstlerischen Unfreiheit aus den verbürgerlichten Traditionen der Akademien.
Expressionismus, Fauvismus, Futurismus, Kubismus, Konstuktivismus, Symbolismus, Surrealismus, sowie Bauhaus, Jugendstil und Dada, – um die wichtigsten der Kunststile jener Jahre wenigstens zu nennen.
Diese Richtungen lassen sich zwar theoretisch von einander trennen, in der künstlerischen Praxis jedoch treten sie nicht immer rein auf, sondern gehen vielfältige Verbindungen ein. Anderseits entstehen Konflikte zwischen den Vertretern der avantgardistischen und der klassischen Moderne.

In den Kunstrichtungen jener Zeit befreit sich das künstlerische Ich zu verschiedenen Formen seiner Subjektivität. Die Autarkie des Kunstschönen kann nun auch das Hässliche einschließen, künstlerisch Hergestelltes, kann durch das Arrangieren des Vorgefundenen ersetzt werden. Der kreative Prozess an sich steht im Mittelpunkt der Interessen. Die zweckfreie, spielerische Handlung setzt die künstlerische Kreativität frei. Sie ist das Medium, das zur selbstbestimmten, künstlerischen Setzung verhilft.
Das heißt, dass Künstler sich um die bild-immanenten Gegebenheiten und Gesetze kümmern, um die Beziehungen zwischen den Formen, Farben und Gewichten, die sie auf einer Fläche oder im Raum realisieren. Alle damit verbundenen Kompetenzen, die sich die bildende Kunst im Lauf der Jahrhunderte erworben hatte, wurde in die Arbeit mit diesen ihren Basiselementen gelegt.
Der Bezug nach außen zur objektiven Welt ist nicht bestimmend, kann nur impulsgebend sein. Die Selbstreferenzialität der Kunst bahnt sich an.
Kant und Schiller fundierten die Autonomie der Kunst philosophisch, in der Kunst der Moderne wurde sie absolut, – wenn auch auf andere Weise, als sich beide Denker gut hundert Jahre vorher vorgestellt hatten.

Unfreie Kunst

Die avantgardistische Entgrenzung der Kunst war in vollem Gange, als in Deutschland das Naziregime die Macht ergriff und diese Entwicklung via „Entartete Kunst“ ausbremste. Es folgten Jahre der künstlerischen Unfreiheit, in denen nur entstehen durfte, was in Banalität und Monumentalität dem diktatorischen Regime entsprach und es propagandahaft stärkte (nicht anders in der Stalin-Diktatur).
Als deutsche Künstler sich nach Kriegsende umschauten, sahen sie ungeahnte Weiterentwicklungen, die vor allem in der neuen Kunstszene von New York stattgefunden hatten. Sie vollendeten einerseits die Bestrebungen der Moderne, die schon vor dem Nazi-Regime begonnen hatten, anderseits waren sie auch eine Zurückweisung der geistig-kulturellen Bewegung der Modern, die schon nach dem Anderen suchte, das gegenwärtiger wäre.

Die Postmoderne

Seit den 70/80er Jahren befinden wir uns in der Epoche, die Postmoderne genannt wird. Wobei für heute schon einige Historiker von der Post-Postmoderne sprechen. Die Postmoderne ist eine Reaktion auf die Moderne, indem sie deren Ziel der Autonomie unterläuft mit der Absicht, noch mehr Freiheit für die Kunst zu gewinnen.
Die Autonomie der Kunst war erreicht, das, wogegen Kunst sich verselbständigen konnte, war aufgebraucht. Die letzte Bindung der Kunst, nämlich das Ziel Autonomie zu gewinnen, war auch ihre letzte Form der Unfreiheit

Es konnte nicht sinnvoll sein, die Realisierung des Neuen, das ständige Innovations­bestreben, in den Mittelpunkt künstlerischer Interessen zu stellen, denn im heutigen, postmodernen Gesichtsfeld ist die Welt nicht fortschrittlich, nicht avantgardistisch, nicht rational, sondern pluralistisch, zufällig, chaotisch. Der Mensch selbst ist nicht anders, also instabil und global durch verschiedenste kulturelle Einflüsse geprägt, natürlich auch von den Medien und der Technik.

Einer Kunst, die keinen Fortschritt sucht, bleibt nur der Rückgriff auf vorhandene Ideen. Dementsprechend wird die Kunst vergangener Epochen zum Steinbruch, aus dem der postmoderne Künstler sich mit bildnerischen Zitaten bedient. Rekombinationen des Alten, Bekannten mit aktuellem Bildmaterial entstehen, oft ironisch unterlegt.

Gegenstände des Alltags oder des Konsums werden isoliert, unbearbeitet oder bearbeitet dem Rezipienten vorgeführt, wobei zu erwarten ist, dass die Suppendose aus dem Supermarkt als Kunst präsentiert, eine veränderte Wahrnehmung und damit ein verändertes Bewusstsein beim Betrachter bewirkt.

Sämtliche Medien, die die heutigen Gesellschaften dominieren, werden gestalterisch eingesetzt, teils absichtlich oder unbeabsichtigt ihre Banalität entblößend, auch ironisierend, teils in ausgeklügelten bildtechnischen Verfahrensweisen und ästhetischen Wirkungen.
Jedenfalls setzt die Postmoderne auf die Verwertbarkeit des Warencharakters in der Kunst und die Ästhetisierung des Alltags.

Diese Tendenz zeigt deutlich, wie die Postmoderne das Autonomieverständnis der Klassischen Moderne annulliert. Deren Haltungen zielten auf fiktive Ziele, auf bild-immanente Gesetze und Ordnungen, wie Farben, Formen, Gewichte, Aufteilungen. Sie hatten nichts mit realen Leben zu tun.
Jetzt ist Kunst ist nicht länger eine vom Alltag abgehobene Kulturerscheinung, die sich nur mit sich selbst, mit ihrer Eigengesetzlichkeit beschäftigt und die „sozialen Intelligenz“ ignoriert. Das Programm der Postmoderne ist Verwandlung von Kunst in Leben, das heißt die Aufhebung der Kunst als das nur Künstliche. Kunst ist Leben, heißt die Parole.

Ästhetische Phänomene sind also nicht weiter an Kunst gebunden, sondern werden immer rascher auf Werbung, Waren, Raumplanung, Enviroments (Erlebnis-Kauf-Landschaften) ausgedehnt, teilweise arbeitet die künstlerische Produktion mit den gleichen Gestaltungsmitteln wie die Designer der kommerzielle Szene. Der erweiterte Kunstbegriff, den Josef Beuys kreiierte, gab dafür die erkenntnistheoretische Folie im Hintergrund, die aber in teils unvorhersehbarer Weise interpretiert wird.

Das autonome Subjekt versteht sich nicht länger als rational agierende Einheit und wendet sich deshalb vermehrt seiner Emotionalität zu. Die so entstehenden ausschließlich subjektiven Aspekte werden nicht in Frage gestellt, da jede Art universalen Wahrheitsanspruchs ohnehin abgelehnt wird.
Der dadurch entstehende grundsätzliche Pluralismus von Bildsprachen, Modellen und Verfahrensweisen unterscheidet nicht nur Werke der Postmoderne von einander, sondern wird auch im einzelnen Werk nebeneinander praktiziert

Es ist eine Kunst entstanden, die als leicht verständliche, profitable, oft unterhaltsame Ware so geschätzt ist, dass sie vollständig den Marktgesetzen unterliegt. Sie ist unbetritten frei in allem, was sie gestalterisch tun möchte, will sie aber erfolgreich sein, muss sie sich dem kapitalistischen Kartell von Kunstkuratoren, –sammlern und –händlern beugen. Sie bestimmen mit ihren Strategien weltweit, welche Kunst gekauft wird. Diese Art von Unfreiheit beklagen allerdings nur wenige ihrer Produzenten und Konsumenten, obwohl dadurch droht, dass ein bestimmtes Segment der ästhetischen Produktion die Umrisse als das Andere, als Kunst verliert. Die Ästhetik des Konsums umfasst schließlich alles, was wir wahrnehmen.

Zum Abschluss

Das Ideal der Zwecklosigkeit der Kunst hat sie immer zu einer Zuflucht der Freiheit gemacht. In der Kunst konnten sich Ideen und Fantasien ausbreiten – in gewolltem Zusammenhang oder vor allem in Absichtslosigkeit zum realen Leben. Die absolute Zweckfreiheit und Eigengesetzlichkeit der Kunst wäre die reinste Stufe der Autonomie. Zur eigentlichen Autonomie der Kunst gehörte also, sich NICHT von Verwaltung und Markt vereinnahmen zu lassen. (Adorno) Doch wie soll die künstlerische Produktion fern von realen Lebensbedingungen die Existenz des Künstlers sichern? Also geht er einen Kompromiss ein, der unterschiedlich stark mit der einen oder anderen Seite des Widerspruchs von Ideal und Realität ausfallen kann. Heute hat sich eine Mehrzahl von Künstlern entschlossen, ihre realen Lebensbedingungen zu optimieren und der finanzielle Überschuss in der kapitalistischen Welt macht es ihr leicht.
Unfrei durch Kommerzialisierung, frei in ihren gestalterischen Vorgehensweisen und Pluralitäten, weiß die Postmoderne gar nicht mehr von Freiheit. Im künstlerischen Tun ist sie ihr so selbstverständlich, dass sie keiner Reflexion bedarf und die kommerzielle Unfreiheit verführt, weil sie Rendite verspricht.

Ich unterstelle, dass wir unserem Gast aus dem Altertum, Platon, mit einer Einladung zur Art in Miami Beach gleich aus zwei Gründen nichts Gutes tun würden. Zum Einen, weil er Kunst nicht sehr schätzte und es ihm gleichgültig sein könnte, wenn sie zur reinen Ware wird. Zum Anderen, fände er nicht leicht Gesprächspartner zum Thema Freiheit und Determinierung.
Aber es gibt auch heute viele, die sich Freiheit zum Unabhängigsein nehmen; sie stehen am Rande und machen ihre eigenen Bilder, weil sie gar nicht anders können und weil sie es für richtig halten.